Pflegeberufegesetz – ein positives Signal

Gastbeitrag von Uwe Machleit für epd sozial

Akademieleiter Uwe Machleit und designierter Vorsitzender des Fachausschusses Aus-, Fort und Weiterbildung im DEVAP gibt als Gastbeitrag ein hoffnungsvolles Signal zum aktuellen Pflegeberufegesetz im Branchendienst epd-sozial ab.

Das neue Jahr beginnt gut, ist Uwe Machleit erfreut. Denn nach der Beobachtung des Ausbildungsexperten des Fachverbandes DEVAP kommt das Pflegeberufegesetz wieder in Fahrt. "Ein ermutigendes Zeichen", schreibt er in seinem Gastbeitrag für epd sozial.

Berlin (epd). Bereits vor einem Jahr billigte das Bundeskabinett den ersten Entwurf des Gesetzes, das die Ausbildungen für die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege zu dem neuen Berufsbild "Pflegefachfrau/-mann" vereinen soll. Genau wie es im Koalitionsvertrag als wichtiger Baustein für die notwendige Aufwertung der Pflege beschlossen wurde. Seit März berät der Bundestag über das Vorhaben. Und das war es; nichts geht mehr. Das Problem: Die Regierungskoalition ist gespalten.

Auf die lange Bank geschoben

Die SPD steht löblicherweise geschlossen und kompromisslos hinter dem Gesetzentwurf. Teile des Koalitionspartners CDU/CSU um den pflegepolitischen Sprecher, Erwin Rüddel, hingegen kämpfen dagegen. Damit unterlaufen sie de facto die Position ihres eigenen Gesundheitsministers Hermann Gröhe. Die Folge ist, dass das parlamentarische Verfahren auf die lange Bank geschoben wurde. Vonseiten der Politik herrscht seit der Verbändeanhörung Ende Mai Schweigen im Walde. Hinter den Kulissen der Politik wird jedoch heftig gerungen.

Die Debatte um das Pro und Contra spaltet auch die Branche. Für den DEVAP und andere kirchliche Verbände aus der Altenpflege und Krankenpflege und ihre Spitzenverbände Caritas und Diakonie ist eine zukunftsfähige Ausbildung in den Pflegeberufen von zentraler Bedeutung. Die pflegerisch-medizinische Versorgungslandschaft verändert sich; die traditionellen Schranken zwischen der Alten- und der Krankenpflege lösen sich auf. Dem muss in der Ausbildung Rechnung getragen werden, durch eine dreijährige generalistische Ausbildung und eine anschließende Spezialisierung durch Weiterbildung.

Die Caritas und die Diakonie waren schon immer zentrale Akteure in der Ausbildung der Pflegekräfte in Deutschland: So bildet die Caritas in 168 und die Diakonie in 194 Pflegeschulen Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflegekräfte aus. Und als Träger evangelischer und katholischer Krankenhäuser und von stationären und ambulanten Einrichtungen und Diensten der Altenpflege übernehmen sie in hohem Maß Verantwortung für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Mitarbeitenden im Pflege- und Gesundheitswesen. Die Notwendigkeit, eine generalistische Ausbildung einzuführen, hatten die kirchlichen Verbände in mehreren Veröffentlichungen verdeutlicht und unter anderem in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Kabinettsentwurf des Gesetzes zum Ausdruck gebracht.

Hohe Abbrecherquoten

Viele Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber und auch vollkommen fachfremde, jedoch machtvolle Organisationen wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben sich auf die Gegenseite geschlagen und rufen die Branche zum Protest auf. Damit haben sie die Altenpflege in Befürworter und Gegner gespalten. Es ist natürlich leicht, die Unsicherheiten, die eine große Veränderung immer mit sich bringt, zu befeuern. Denn das Bekannte mag zwar nicht befriedigend sein – wie die hohen Abbrecherquoten während der Ausbildungszeit zeigen –, aber es ist vertraut.

Alle Akteure sollten ihre Rolle ein letztes Mal überdenken. Sollte das Pflegeberufsgesetz jetzt scheitern, wäre die Chance für eine Modernisierung der Pflegeausbildung für lange Zeit vertan. Die generalistische Ausbildung mit einem gemeinsamen Berufsabschluss bietet eine einmalige Chance – insbesondere für die Altenpflege. Es würde nicht nur eine nachhaltig zukunftsfähige Ausbildung in weite Ferne rücken, auch das erstmalige Festschreiben von Vorbehaltstätigkeiten und neue Anreize für die Berufswahl blieben auf der Strecke. Mit einem Beibehalten des Status Quo oder mit halbherzigen Kompromisslösungen werden wir im Wettbewerb um die sinkende Zahl der Schulabgänger, die von allen Branchen umworben werden, keinen Blumentopf gewinnen.

Als Leiter eines Bochumer Altenpflegeseminars weiß ich, wovon ich spreche. Die aktuelle Bewerberlage ist desolat. Wir verzeichnen einen Rückgang von 80 Prozent. Ähnliches berichten Kollegen aus dem Ruhrgebiet, die sich ebenfalls große Sorgen machen. Die kursierenden Erfolgsmeldungen zur Steigerung der Auszubildendenanzahl bieten keinen Trost, da diese Zahlen größtenteils auf einmalige Effekte infolge von Fördermaßnahmen zurückzuführen sind, z. B. die bereits ausgelaufene bundesweite "Ausbildungsund Qualifizierungsoffensive Altenpflege."

Geringe Aufstiegsmöglichkeiten

In dieser Lage wecken die guten Neuigkeiten Hoffnung: Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), die gemeinsam mit Gesundheitsminister Gröhe die Federführung beim Gesetzentwurf innehat, übte öffentlich Druck auf ihre Koalitionskollegen aus und warf ihnen vor, die Reform zu blockieren. Ebenfalls Anfang Januar meldeten sich erstmals Befürworter aus der CDU/CSU-Fraktion öffentlich zu Wort. Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, und Karin Maag, Vorsitzende im Fraktionsvorstand, forderten ihre Fraktion in einer Mitteilung auf, die Reform der Pflegeberufe weiter voranzubringen.

Richtig weisen sie darauf hin, dass die Politik dafür sorgen muss, dass die Pflegeberufe nicht mehr als Sackgassenberufe mit geringen Aufstiegsmöglichkeiten und schwierigen Arbeitsbedingungen wahrgenommen werden. Deshalb sei es sinnvoll, die Ausbildung besser zu verzahnen.

In den vergangenen Monaten habe ich, genau wie viele andere Akteure des DEVAP intensiv das Gespräch mit Mitgliedern des Bundestags gesucht, Befürwortern und Gegnern. Hierbei muss man den Politikern zugutehalten: Es ist nicht ganz einfach, sich in der Tiefe im zugegebenermaßen komplexen Themenkreis eine Meinung zu bilden. Deshalb leisten wir intensiv und an vielen Stellen Aufklärungsarbeit. Dabei unterstützen uns unsere Mitglieder, ob Einrichtungsträger, diakonischer Landesverband oder Schulleiter nach Kräften. Flankiert wird dies von brieflichen Appellen an die Spitzen der Bundespolitik, auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese hat das Thema tatsächlich vor kurzem in einer Ansprache aufgegriffen, mehr jedoch leider nicht. Wir rufen unsere Mitstreiter zu einer weiteren Kraftanstrengung zu diesem entscheidenden Zeitpunkt auf.

Nicht länger Assistenzberuf

Auch wir sehen das eine oder andere Fragezeichen bei einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs, vor allem zur Finanzierung. Das muss im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gelöst werden. Jetzt jedoch ist es wichtig, die gebündelten Kräfte einzusetzen, um der Politik klar zu machen, dass gerade die Altenpflege die Reform braucht. Denn gute Qualität in der Pflege setzt gut ausgebildete Pflegefachkräfte voraus. Das Gesetz und der generalistische Pflegeberuf sind dafür wichtige und notwendige Schritte.

In den Pflegeeinrichtungen und -diensten sind schon heute vertiefte medizinisch-pflegerische Kenntnisse erforderlich, da der Anteil mehrfach kranker Pflegebedürftiger erheblich gestiegen ist. Neben grund- und behandlungspflegerischen Aufgaben müssen Pflegekräfte anleiten und beraten, außerdem Pflegeprozesse steuern und kontrollieren. Sie sind auch für die Gesundheitsförderung und Rehabilitation verantwortlich. Diese wichtigen Kompetenzen vermittelt die generalistische Pflegeausbildung.

Zugleich wird der Pflegeberuf aufgewertet, weil das Gesetz erstmals pflegerische Tätigkeiten festlegt, die ausschließlich von Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern durchgeführt werden dürfen. Damit ist Pflege nicht länger Assistenzberuf in der medizinischen Versorgung. Das schafft – eine für die Attraktivität des Pflegeberufes zwingend notwendige – Berufsidentität. In der Altenpflegebranche setzt sich diese Erkenntnis durch. Auf der Plattform change.org erfreut sich die Petition eines beruflich Pflegenden an Bundesgesundheitsminister Gröhe "Die generalistische Pflegeausbildung jetzt!" großer Beliebtheit. Innerhalb von wenigen Wochen haben mehr als 3.000 Unterstützer mitgezeichnet.

Zur Person: Uwe Machleit ist Vorsitzender des Fachausschusses Aus-, Fort und Weiterbildung im DEVAP, Leiter des Fachseminars für Altenpflege der Evangelischen Stiftung Augusta, Bochum. Quelle: epd sozial Ausgabe 03/2017 - 20.01.2017

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